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p-i-l-l-s 200p
Fragwürdige Verschreibungspraxis
Immer mehr Psychopillen
für Kinder


Der Anteil von Minderjährigen, denen Antipsychotika verschrieben werden, stieg in Deutschland innerhalb von sieben Jahren um 41 Prozent.

Dies belegt eine Auswertung von Daten der Barmer-GEK, der größten gesetzlichen Krankenkasse, von über 1,5 Millionen Kindern und Jugendlichen (Deutsches Ärzteblatt Bd. 111, S. 25, 2014). Demnach stieg der Anteil der mit Neuroleptika behandelten Minderjährigen von 2005 bis 2012 von 3611 auf 4518 an; bei den Zehn- bis 14jährigen verdoppelte sich die Zahl der Verordnungen nahezu. 2,3mal so viele Jungen wie Mädchen bekamen sie.

Häufigste Indikationen waren der Studie zufolge „hyperkinetische“ Störungen - mit deutlich vermehrtem, als krankhaft eingeschätztem „Bewegungsdrang“ -, gefolgt von Störungen des Sozialverhaltens, verminderter Intelligenz, Angststörungen und Depressionen.

Bis vor kurzem wurden vor allem Stimulanzien wie Methyphenidat (Ritalin, Medikinet) verschrieben, insbesondere gegen ADHS, das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom; deren Verordnungen verhundertfachten sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten. 2012 wurden Rezepte über mehr als 61 Millionen Tagesdosierungen ausgestellt: genug, um 170'000 Kinder und Jugendliche ein Jahr lang täglich „ruhigzustellen“. Doch seit Nebenwirkungen wie Gewichtsabnahme und Wachstumsverzögerungen öffentlich diskutiert werden, weichen offenbar immer mehr Ärzte auf Neuroleptika aus, am häufigsten auf Risperidon und Pipamperon. Ursprünglich waren diese Medikamente nur bei Erwachsenen eingesetzt worden, zur Behandlung von Schizophrenie, Erregungszuständen und Schlafstörungen. Neuerdings erhalten sie immer häufiger auch verhaltensauffällige Kinder, was einen Mitautor der Studie, den Bremer Gesundheitsökonomen und Sozialforscher Gerd Glaeske, „sehr beunruhigt“: „Offensichtlich wird das Spektrum der Medikamente, mit denen Kinder angepasst werden sollen, jetzt auch auf diese stark wirksamen Substanzen erweitert.“ Der Ärztliche Direktor des Heckscher-Klinikums in München, Franz Joseph Freisleder, warnt in der „Süddeutschen Zeitung“ (14.1.2014, Nr. 10, S. 16): „Generell sollten im Kindes- und Jugendalter Psychopharmaka nur nach strengster Indikation und so selten und so gering dosiert wie möglich eingesetzt werden. Wird im ADHS-Bereich zu großzügig mit Neuroleptika umgegangen, sollte uns das hellhörig machen. Diese Mittel haben Nebenwirkungen – und zwar auch langfristige.“

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