Logo_ius 100pWerbung für „Alternativmedizin“
Ohne „Gegenmeinung“ unzulässig

Wer für alternativmedizinische Verfahren wirbt, muss dabei auf die „Gegenmeinung“ hinweisen – andernfalls verstößt er gegen das Heilmittelwerbegesetz. Diese Rechtslage geht aus einem kürzlichen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm hervor.

Angeklagt war eine Therapeutin aus dem Münsterland, die sogenannte  "begleitende Kinesiologie" und „Edu-Kinestetik-BrainGym“ anbietet. Dafür warb sie im Internet u.a. folgendermaßen:

"Auf sanfte Art werden die Selbstheilungskräfte aktiviert; … Unterstützung oder Beschleunigung des Genesungsprozesses; … Linderung bei körperlichen Beschwerden; … Hilfe bei Allergien, Unverträglichkeiten und toxischen Belastungen; … mit dem Anwendungsgebiet … Narbenstörungen, … Migräne, … Rückenschmerzen, … Verdauungsprobleme, … Menstruationsschmerzen, … Entgiftung, … Burnout, … Schlafstörungen, … Nervosität, … Depressionen, … mit sanftem Druck wird der Muskeltonus, zum Beispiel am Arm, getestet. So erfahren wir, wo und wie der natürliche Energiefluss im Körper beeinträchtigt wird … Kinesiologische Balancen bauen Stress ab und regen die Selbstheilungskräfte an…“ Das kinesiologische Verfahren "Edu-Kinestetik-BrainGym" beschrieb sie u.a. mit "Auflösung von Energieblockaden zwischen beiden Gehirnhälften".

Dagegen hatte ein Wettbewerbsverein aus Berlin eine Unterlassungsklage eingereicht: Diese Werbeaussagen, so argumentierte er, stellten eine irreführende Heilmittelwerbung dar; die Kinesiologie und ihre Varianten seien zu Diagnosezwecken ungeeignet und in ihrer therapeutischen Wirksamkeit nicht belegt.

Dieser Auffassung schlossen sich die Richter an: Sie untersagten der Beklagten eine solche Werbung als „irreführend“. Zwar habe sie mit ihren Äußerungen keine Heilung von Krankheiten allein durch die Anwendung der (begleitenden) Kinesiologie in Aussicht gestellt; jedoch suggerierten die Aussagen, dass die angebotenen Leistungen als Ergänzung bzw. Unterstützung einer medizinischen/therapeutischen Behandlung zur Linderung von Krankheiten, Leiden bzw. krankhaften Beschwerden beitragen könnten.
Nach dem Heilmittelwerbegesetz unterlägen gesundheitsbezogene Werbeaussagen aber strengen Anforderungen. Sie müssten „wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen“ entsprechen. Gebe es diese nicht, sei es unter anderem unzulässig, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben werde, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Die Wirkungsmöglichkeiten kinesiologischer Behandlungen seien wissenschaftlich umstritten. Da die Beklagte bei ihrer Internetwerbung nicht auf die wissenschaftliche Gegenmeinung hingewiesen habe, welche die Wirksamkeit der Kinesiologie in Frage stellt, müsse sie beweisen, dass ihre Werbeaussagen richtig seien und gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Deswegen sei ihre Werbung unzulässig.

OLG Hamm, Urteil vom 20. Mai 2014 - 4 U 57/13

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